Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie der Strom zu Ihnen nach Hause kommt? Oder wie Sie noch Strom bekommen können, wenn Sie nicht mehr an das Stromnetz angeschlossen sind? Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, wie Sie zuhause selbst Strom erzeugen können. In diesem erweiterten Artikel erläutern wir detailliert, wie das Stromnetz und die verschiedenen Stromversorgungssysteme funktionieren.
Das konventionelle Stromnetz: Von der Erzeugung bis zu Ihrem Zuhause
Das Stromnetz stellt nach wie vor die Hauptquelle der Stromversorgung für die meisten Haushalte dar. Obwohl es sich hierbei nicht um eine Methode handelt, selbst Strom zu erzeugen, ist das Verständnis dieses Systems grundlegend wichtig.

Warum Wechselstrom?
Grundsätzlich wird bei der Versorgung von Haushalten aufgrund dreier wesentlicher Vorteile Wechselstrom (AC) gegenüber Gleichstrom (DC) bevorzugt:
- Einfachere Übertragung über lange Distanzen
- Geringere Übertragungsverluste
- Unkomplizierte Transformation zu verschiedenen Spannungsebenen
Die Übertragung von Elektrizität mit Hochspannung reduziert den Stromverlust durch Wärmeerzeugung in den Leitungen erheblich. Bei einer Verdoppelung der Spannung halbiert sich der Strom bei gleicher Leistung, wodurch die Verluste auf ein Viertel sinken (P = I²R). Diese physikalische Gesetzmäßigkeit macht die Verwendung von Wechselstrom besonders effizient für unser Stromnetz.
Komponenten des Stromverteilungsnetzes
Das klassische Stromverteilungsnetzwerk besteht aus mehreren präzise aufeinander abgestimmten Komponenten:
1. Kraftwerk
Im Kraftwerk wird 3-Phasen-Wechselstrom mit einer typischen Frequenz von 50 Hz (in Europa) erzeugt. Die Verwendung eines Dreiphasensystems bietet entscheidende Vorteile:
- Die Phasenströme heben sich gegenseitig auf, wodurch eine ausgeglichene Lastverteilung entsteht
- Ein gleichmäßiges rotierendes Magnetfeld wird erzeugt, das für den effizienten Betrieb von Elektromotoren essentiell ist
- Die Leistungsübertragung erfolgt konstanter als bei Einphasensystemen
Moderne Kraftwerke erzeugen typischerweise Spannungen zwischen 10-25 kV, die dann mittels Transformatoren auf Übertragungsspannungen von 110-380 kV herauftransformiert werden.
2. Umspannwerke
Hier findet die erste Transformation statt. Große Transformatoren wandeln die erzeugte Hochspannung von bis zu 380 kV (Höchstspannungsebene) in regionale Verteilungsspannungen von etwa 60-110 kV um. Ein modernes Umspannwerk enthält:
- Leistungstransformatoren mit Kapazitäten zwischen 100-500 MVA
- Schutzsysteme mit Leistungsschaltern, die bei Störungen innerhalb von 50-100 ms auslösen
- Steuer- und Überwachungssysteme zur Netzstabilisierung und Lastverteilung
3. Übertragungseinheit
Die Hochspannungsübertragung erfolgt über Freileitungen oder zunehmend über Erdkabel:
- Freileitungen bestehen aus Aluminiumleitern mit Stahlseele (ACSR) mit Durchmessern von 20-40 mm
- Standardmäßig drei Leiter für die drei Phasen plus ein Erdleiter zum Schutz vor Blitzeinschlägen
- Typische Mastenhöhen zwischen 40-100 m für Höchstspannungsleitungen
- Übertragungsdistanzen von bis zu 400 km ohne bedeutende Leistungsverluste
4. Regionales Verteilungsnetz
Auf dieser Ebene wird die Spannung auf mittlere Verteilungsspannungen reduziert:
- Transformation auf 10-30 kV für lokale Verteilernetze
- Ringförmige Netzstruktur zur Erhöhung der Versorgungssicherheit (n-1 Kriterium)
- Verteilerstationen mit Leistungen zwischen 5-50 MVA
5. Lokale Übertragungseinheiten
Diese Einheiten bringen den Strom in die Wohngebiete:
- Meist Mittelspannungsleitungen mit 10-20 kV
- Häufig als Erdkabel in besiedelten Gebieten verlegt
- Integration von Spannungsreglern zur Erhaltung konstanter Spannungswerte (±5% Abweichung)
- Möglichkeit der einphasigen Abgriffe aus dem Dreiphasensystem
6. Ortsnetzstationen
Die finalen Transformatoren vor Ihrem Haus:
- Transformation von Mittelspannung (10-20 kV) auf die Niederspannung (400V/230V)
- Typische Leistung zwischen 250-630 kVA für Wohngebiete
- Versorgung von 30-80 Haushalten pro Station
- Dreiphasige Verteilung mit 400V zwischen den Außenleitern und 230V zwischen Außenleiter und Neutralleiter
Der Hausanschluss wird standardmäßig als dreiphasiger Anschluss ausgeführt mit:
- Drei Außenleitern (L1, L2, L3) mit jeweils 230V gegen den Neutralleiter
- Einem Neutralleiter (N)
- Einem Schutzleiter (PE)
- Absicherung durch NH-Sicherungen mit typischen Werten zwischen 63-125A
Netzebene | Typische Spannung | Übertragungsdistanz | Verluste |
---|---|---|---|
Höchstspannung | 220 – 380 kV | 100 – 400 km | 3 – 5% |
Hochspannung | 60 – 110 kV | 50 – 100 km | 1,5 – 2,5% |
Mittelspannung | 10 – 30 kV | 10 – 20 km | 1 – 2% |
Niederspannung | 400V/230V | 0,5 – 1 km | 1 – 3% |
Alternative Stromversorgungssysteme für Ihr Zuhause
Photovoltaik: Mit Solarenergie Strom erzeugen
Eine zunehmend populäre Alternative zur herkömmlichen Netzversorgung ist die Nutzung der Sonnenenergie mittels Photovoltaik. Diese Technologie bietet mehrere Vorteile:
- Erneuerbare und unbegrenzt verfügbare Energiequelle
- Dezentrale Erzeugung direkt am Verbrauchsort
- Langfristige Kostensenkung bei steigenden Energiepreisen
- CO₂-Neutralität im Betrieb
Komponenten einer Photovoltaikanlage
Eine moderne Photovoltaikanlage für den Hausgebrauch besteht aus folgenden Hauptkomponenten:
1. Photovoltaikmodule
Diese wandeln die Sonnenenergie direkt in elektrische Energie um:
- Monokristalline Module: Wirkungsgrad 18-22%, höhere Kosten, kompaktere Bauweise
- Polykristalline Module: Wirkungsgrad 15-18%, kostengünstiger, etwas größerer Flächenbedarf
- Dünnschichtmodule: Wirkungsgrad 10-12%, flexibler einsetzbar, geringere Kosten
Moderne PV-Module erzeugen typischerweise zwischen 330-450 Watt Peak (Wp) pro Modul mit einer Lebensdauer von 25-30 Jahren und einer jährlichen Degradation von etwa 0,5%.
2. Wechselrichter
Der Wechselrichter wandelt den erzeugten Gleichstrom in netzkonformen Wechselstrom um:
- String-Wechselrichter: Für mehrere in Reihe geschaltete Module, Wirkungsgrad bis 98%
- Mikro-Wechselrichter: Je ein Wechselrichter pro Modul, höhere Ausfallsicherheit
- Hybrid-Wechselrichter: Mit integrierter Batteriesteuerung für Speichersysteme
Die elektronische Leistungsüberwachung des Maximum Power Point Tracking (MPPT) sorgt dafür, dass ständig der optimale Arbeitspunkt genutzt wird, wodurch die Energieausbeute um 20-30% gesteigert werden kann.
3. Batteriespeicher
Für die Speicherung des überschüssigen Stroms werden zunehmend Batteriesysteme eingesetzt:
- Lithium-Ionen-Batterien: Energiedichte 100-265 Wh/kg, Lebensdauer 3.000-10.000 Zyklen
- LiFePO4-Batterien: Geringere Energiedichte, aber höhere Sicherheit und längere Lebensdauer (bis zu 5.000-7.000 Zyklen)
- Blei-Säure-Batterien: Kostengünstig, aber geringere Energiedichte und kürzere Lebensdauer
Ein typisches Heimspeichersystem für einen 4-Personen-Haushalt hat heute eine Kapazität von 5-15 kWh.
4. Laderegler
Für Inselanlagen ohne Netzanschluss ist ein Laderegler essentiell:
- MPPT-Regler: Wirkungsgrad bis zu 98%, optimale Anpassung an die Batteriespannung
- PWM-Regler: Einfacher und kostengünstiger, aber geringerer Wirkungsgrad (70-80%)
PV-Anlagengröße | Typischer Jahresertrag (kWh) | Benötigte Dachfläche (m²) | Empfohlene Batteriekapazität (kWh) |
---|---|---|---|
3 kWp | 2.700 – 3.300 | 15 – 20 | 4 – 6 |
5 kWp | 4.500 – 5.500 | 25 – 30 | 6 – 10 |
10 kWp | 9.000 – 11.000 | 50 – 60 | 10 – 15 |
15 kWp | 13.500 – 16.500 | 75 – 90 | 15 – 20 |
Unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV)
Eine USV-Anlage sorgt für konstante Stromversorgung auch bei Netzausfällen. Während sie keine originäre Stromquelle darstellt, ist sie für viele kritische Anwendungen unverzichtbar:
Funktionsweise einer USV
Eine moderne USV arbeitet nach folgendem Prinzip:
- Normalbetrieb: Der Strom fließt vom Netz durch einen Spannungsstabilisator zu den Verbrauchern
- Gleichzeitig: Ein Teil des Stroms wird durch einen Gleichrichter in Gleichspannung umgewandelt und lädt die Batterien
- Bei Stromausfall: Die gespeicherte Gleichspannung wird durch den Wechselrichter sofort in Wechselspannung umgewandelt
USV-Typen und ihre technischen Eigenschaften
Es existieren drei Haupttypen von USV-Systemen:
1. VFD (Voltage and Frequency Dependent) / Off-Line USV
- Umschaltzeit: 2-10 ms
- Wirkungsgrad: 95-98%
- Schutz vor: Stromausfall, Überspannung
- Einsatzbereich: Einfache Computer, nicht kritische Systeme
- Kosten: Niedrig
2. VI (Voltage Independent) / Line-Interactive USV
- Umschaltzeit: 2-4 ms
- Wirkungsgrad: 92-95%
- Schutz vor: Stromausfall, Spannungsschwankungen, Überspannung
- Einsatzbereich: Arbeitsplatzcomputer, kleine Server
- Kosten: Mittel
3. VFI (Voltage and Frequency Independent) / Online USV
- Umschaltzeit: 0 ms (keine Umschaltung nötig)
- Wirkungsgrad: 85-92%
- Schutz vor: Stromausfall, Spannungsschwankungen, Frequenzschwankungen, Überspannung
- Einsatzbereich: Kritische Infrastruktur, Rechenzentren
- Kosten: Hoch
Für den Heimgebrauch reichen USV-Anlagen mit Kapazitäten zwischen 600-1500 VA, während für kleine Unternehmen oft Systeme mit 5-10 kVA benötigt werden.
USV-Typ | Überbrückungszeit bei 50% Last | Typischer Preis pro kVA | Wartungsintervall |
---|---|---|---|
Off-Line USV 1kVA | 5-15 Minuten | 100-200 € | Batterietausch alle 3-5 Jahre |
Line-Interactive USV 1kVA | 10-20 Minuten | 200-400 € | Batterietausch alle 4-6 Jahre |
Online USV 1kVA | 15-30 Minuten | 500-900 € | Wartung jährlich, Batterietausch alle 5-7 Jahre |
Notstromaggregate und Generatoren
Generatoren stellen eine zuverlässige Möglichkeit dar, bei längeren Stromausfällen selbst Strom zu erzeugen.
Arten von Hausgeneratoren
1. Benzingeneratoren
- Leistungsbereich: 1-12 kVA
- Kraftstoffverbrauch: ca. 0,4-0,6 l/kWh
- Vorteile: Günstig in der Anschaffung, schnell einsatzbereit
- Nachteile: Laut (70-85 dB(A)), kürzere Laufzeiten, höhere Betriebskosten, regelmäßige Wartung
2. Dieselgeneratoren
- Leistungsbereich: 5-500 kVA
- Kraftstoffverbrauch: ca. 0,25-0,35 l/kWh
- Vorteile: Langlebig, effizienter, längere Laufzeiten
- Nachteile: Höhere Anschaffungskosten, kälteempfindlich, Lautstärke (65-80 dB(A))
3. Gasgeneratoren (Erdgas/Propan)
- Leistungsbereich: 8-150 kVA
- Verbrauch: ca. 0,35-0,45 m³ Erdgas/kWh
- Vorteile: Sauberer, direkter Anschluss an Gasleitung möglich, geringere Emissionen
- Nachteile: Höhere Anschaffungskosten, geringere Leistungsdichte
Automatische Umschaltsysteme
Ein modernes Notstromsystem für Ihr Zuhause enthält folgende Komponenten:
- Netzüberwachung: Erkennt Ausfälle innerhalb von 100-200 ms
- Automatischer Transferschalter (ATS): Trennt das Hausnetz vom öffentlichen Netz
- Steuereinheit: Startet den Generator automatisch
- Anlaufverzögerung: Typischerweise 5-30 Sekunden bis zur Bereitstellung der vollen Leistung
Die Steuereinheit überwacht kontinuierlich den Netzzustand und führt folgende Schritte aus:
- Registrierung des Netzausfalls
- Auslösung des ATS zur Netztrennung
- Startsequenz des Generators
- Überwachung der erzeugten Spannung und Frequenz (230V±10%, 50Hz±1%)
- Zuschaltung zum Hausnetz nach Erreichen der Nennparameter
- Überwachung der Rückkehr der Netzspannung
- Verzögerte Rückschaltung (typisch 5-10 Minuten)
- Nachlaufkühlung des Generators (2-5 Minuten)
Generatortyp | Leistung | Kraftstoffverbrauch | Betriebslautstärke | Wartungsintervall |
---|---|---|---|---|
Benzin (tragbar) | 2 kVA | 0,5-0,7 l/h | 75-85 dB(A) | 50 Betriebsstunden |
Benzin (stationär) | 7 kVA | 2-3 l/h | 70-75 dB(A) | 100 Betriebsstunden |
Diesel (stationär) | 10 kVA | 2-2,5 l/h | 65-72 dB(A) | 250 Betriebsstunden |
Erdgas (stationär) | 12 kVA | 3-4 m³/h | 60-68 dB(A) | 300 Betriebsstunden |
Fazit und vergleichende Betrachtung
Die Wahl des optimalen Stromversorgungssystems für Ihr Zuhause hängt von verschiedenen Faktoren ab:
- Netzgebundene Versorgung: Zuverlässig und kosteneffizient, jedoch abhängig von externer Infrastruktur
- Photovoltaikanlage: Umweltfreundlich und langfristig wirtschaftlich, aber abhängig von Wetterbedingungen
- USV-Anlagen: Ideal für kurzzeitige Überbrückung und Schutz empfindlicher Elektronik
- Notstromaggregate: Unabhängige Lösung für längere Ausfälle, jedoch mit höheren Betriebskosten
Für maximale Versorgungssicherheit empfiehlt sich eine Kombination mehrerer Systeme, beispielsweise eine Photovoltaikanlage mit Batteriespeicher und zusätzlichem Notstromaggregat für längere Schlechtwetterperioden.
Die technologische Entwicklung im Bereich der dezentralen Stromversorgung schreitet rapide voran, sodass in den kommenden Jahren mit weiteren Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen zu rechnen ist, die diese Systeme für immer mehr Haushalte attraktiv machen werden.
Letztes Update des Artikels: 18. März 2025