Die Entwicklung der Photovoltaik-Technologie
Die Photovoltaik hat in den letzten 40 Jahren eine beeindruckende Entwicklung durchlaufen – von den Anfängen in der Forschung bis hin zur breiten Anwendung in konkreten Projekten. Die Technologie hat sich dabei stetig weiterentwickelt und neue Innovationen hervorgebracht. Eine der frühesten Solaranlagen, die im Jahr 1999 an einer Fassade montiert wurde, ist ein Beispiel für die langfristige Entwicklung und praktische Anwendung dieser Technologie.
Grundlagen der Solarzellen-Funktionsweise
Der technologische Kern einer Photovoltaikanlage ist die Solarzelle. Eine standardmäßige Siliziumsolarzelle besteht aus einem kristallinen oder polykristallinen Siliziumwafer. Dieser Wafer allein ist jedoch noch keine funktionsfähige Solarzelle. Erst durch gezielte Dotierung entsteht eine funktionierende Einheit:
- Auf einer Seite erfolgt eine p-Dotierung
- Auf der anderen Seite eine n-Dotierung
- Im p-n-Übergang werden Elektronen und Löcher getrennt
Elektronen (negative Ladungsträger) und Löcher (positive Ladungsträger) werden im p-n-Übergang voneinander getrennt. Um den erzeugten Strom nutzbar zu machen, benötigt man Metallkontakte auf beiden Seiten der Zelle:
- Auf der lichtabgewandten Seite wird traditionell die gesamte Fläche mit Metall beschichtet
- Auf der lichtzugewandten Seite werden nur schmale Metallstreifen aufgebracht, sogenannte „Grittfinger“
Diese Grittfinger haben einen präzise kalkulierten Abstand zueinander. Sie müssen einerseits genügend Licht auf die Zelle durchlassen, andererseits aber einen ausreichend niedrigen elektrischen Widerstand gewährleisten. Die Metallstreifen leiten den erzeugten Strom zu den Hauptleiterbahnen, den sogenannten „Busbars“.
Aufbau einer traditionellen Solarzelle
Eine typische Solarzelle aus dem Jahr 2011 weist auf der Vorderseite die charakteristischen Metallkontakte auf:
- Zwei lange horizontale Busbars
- Vertikal verlaufende Grittfinger
Bei polykristallinen Solarzellen ist zudem ein typisches Glitzern sichtbar, das durch die unterschiedlichen Kristallstrukturen im Material entsteht. Die Rückseite einer traditionellen Solarzelle ist vollständig mit Metall beschichtet, da hier kein Licht einfallen muss.
Konventionelle Solarmodule
Ein konventionelles Solarmodul besteht aus mehreren Solarzellen, die elektrisch miteinander verbunden sind. Ein Demonstrationsmodul aus dem Jahr 2011 mit sechs Solarzellen hatte beispielsweise eine Leistung von etwa 20 Watt. Die Anschlusskabel befinden sich typischerweise auf der Rückseite des Moduls.
Bei traditionellen Modulen gibt es verschiedene Konstruktionsarten:
- Glas-Folie-Module (kostengünstiger)
- Glas-Glas-Module (langlebiger, aber teurer)
Bei allen konventionellen Modulen wird ausschließlich das Licht genutzt, das auf die Vorderseite des Moduls trifft. Die Rückseite trägt nicht zur Energiegewinnung bei.
Die Innovation: Bifaziale Solarmodule
Eine bedeutende Innovation in der Photovoltaik-Technologie sind die bifazialen (zweiseitigen) Module. Bei dieser fortschrittlichen Technologie wird nicht nur die Vorderseite, sondern auch die Rückseite des Moduls zur Stromerzeugung genutzt.
Die Entwicklung wurde durch Fortschritte in der Kontaktierungstechnologie möglich:
- Auf der Rückseite wird nun ebenfalls ein Grid aus Metallkontakten aufgebracht
- Zwischen den Kontakten kann Licht einfallen und von den Solarzellen genutzt werden
- Diese Module werden als Glas-Glas-bifaziale Module bezeichnet
Der entscheidende Vorteil besteht darin, dass nun auch Licht, das auf die Rückseite des Moduls trifft, in elektrische Energie umgewandelt werden kann. Dies erhöht die Gesamteffizienz der Anlage erheblich.
Einsatzmöglichkeiten bifazialer Solarmodule
Die optimale Nutzung bifazialer Solarmodule erfordert eine spezielle Montage, die Licht auf beide Seiten des Moduls fallen lässt. Bei einer konventionellen Dachmontage, bei der das Modul parallel zum Dach angebracht wird, bleibt die Rückseite im Dunkeln und der bifaziale Vorteil geht verloren.
Effektive Montagemethoden für bifaziale Module sind:
- Aufständerung auf Flachdächern mit einem Winkel von etwa 30°
- Montage vor Fassaden mit Abstand
- Freiflächen-Aufständerung mit reflektierendem Untergrund
Eine besonders innovative Anwendung ist die drehbare Montage vor einer Fassade. Dies ermöglicht:
- Saisonale Anpassung des Winkels (steiler im Winter, flacher im Sommer)
- Nutzung des von der Fassade reflektierten Lichts auf der Rückseite
Leistungspotenzial der bifazialen Technologie
Das tatsächliche Leistungspotenzial der bifazialen Technologie hängt von mehreren Faktoren ab:
Einflussfaktor | Auswirkung | Optimierungspotenzial |
---|---|---|
Reflektionsgrad des Hintergrunds (Albedo) | Bestimmt die Lichtmenge, die auf die Rückseite trifft | Helle Oberflächen oder Reflektoren |
Montageart | Beeinflusst Verschattung und Lichteinfall | Minimierung von Verschattung durch Montagestrukturen |
Modultechnologie | Effizienz der rückseitigen Zellen | Hocheffiziente bifaziale Zellen |
Bei einer Fassadeninstallation mit einer Mischung aus heller Fassade und Fenstern wurde eine rückseitige Lichtintensität von etwa 15% im Vergleich zur Vorderseite gemessen. Dies entspricht bei einem 430-Watt-Modul einem theoretischen Mehrertrag von etwa 60 Watt.
Praktische Messungen und Ergebnisse
Um das tatsächliche Leistungspotenzial der bifazialen Technologie zu ermitteln, wurden spezielle Messungen durchgeführt:
- Messung der Lichtintensität auf Vorder- und Rückseite mit einem Einstrahlungssensor
- Messung der Modulleistung mit einem Kennlinien-Messgerät
- Abdeckung der Vorderseite zur isolierten Messung des rückseitigen Beitrags
Die Messergebnisse zeigten:
- Frontale Einstrahlung: ca. 934 W/m²
- Rückseitige Einstrahlung: ca. 151 W/m² (entspricht 16% der frontalen Einstrahlung)
- Leistung bei frontaler Beleuchtung: ca. 250 Watt
- Leistung bei ausschließlich rückseitiger Beleuchtung: ca. 20 Watt (8% der frontalen Leistung)
Diese Werte deuten darauf hin, dass nicht die volle rückseitige Einstrahlung in Leistung umgesetzt werden konnte. Der Grund dafür liegt in der teilweisen Verschattung der Modulrückseite durch die Montagestruktur.
Analyse der Strom-Spannungs-Kennlinien
Die gemessenen Strom-Spannungs-Kennlinien geben detaillierte Einblicke in das Verhalten des bifazialen Moduls:
Bei frontaler Beleuchtung:
- Kurzschlussstrom: ca. 9,9 Ampere
- Maximale Leistung (MPP): ca. 250 Watt bei ca. 28 Volt
Bei rückseitiger Beleuchtung:
- Kurzschlussstrom: knapp 1 Ampere (ca. 10% des frontalen Stroms)
- Auffällige Stufen in der Kennlinie bei 10 Volt und 21 Volt, die auf Teilverschattung hindeuten
- Maximale Leistung: ca. 20 Watt (ca. 8% der frontalen Leistung)
Ohne Teilverschattung wäre theoretisch eine rückseitige Leistung von ca. 28 Watt möglich gewesen, was näher an den erwarteten 15% läge.
Ursachen der Leistungsminderung
Die Hauptursache für die Diskrepanz zwischen theoretischem und tatsächlichem Ertrag liegt in der Verschattung der Modulrückseite durch die Montagestruktur:
- Eine Aluminiumschiene im unteren Bereich
- Ein Stahlrahmen zur Halterung und Drehung der Module
- Vertikale Aluminiumschienen
Diese Konstruktionselemente führen zu einer ungleichmäßigen Verschattung der verschiedenen Zellenreihen:
- Die unteren Reihen werden hauptsächlich durch eine horizontale Aluminiumschiene verschattet
- Die mittleren Reihen werden durch den Stahlrahmen und die Drehvorrichtung verschattet
- Die oberen Reihen werden durch den Rahmen und eine weitere Aluminiumschiene verschattet
Diese inhomogene Verschattung erklärt die stufenförmige Kennlinie und die reduzierte Gesamtleistung.
Optimierungsstrategien für bifaziale Anlagen
Aus den Messergebnissen lassen sich verschiedene Strategien zur Optimierung bifazialer Anlagen ableiten:
- Minimierung der rückseitigen Verschattung:
- Verwendung schmalerer Montageprofile
- Optimierung der Konstruktion für maximale Transparenz
- Vermeidung horizontaler Streben, die ganze Zellreihen verschatten
- Maximierung der rückseitigen Reflektion:
- Verwendung heller, reflektierender Untergründe
- Bei Fassadenmontage: helle Fassadenfarbe
- Bei Freiflächen: heller Kies oder reflektierende Folien
- Optimale Ausrichtung:
- Saisonale Anpassung des Neigungswinkels
- Ausreichender Abstand zu reflektierenden Flächen
- Vermeidung von Selbstverschattung bei mehreren Modulreihen
Wirtschaftliche Betrachtung
Bifaziale Module haben in den letzten Jahren stark an wirtschaftlicher Attraktivität gewonnen. Die Mehrkosten für bifaziale Technologie sind inzwischen relativ gering, während die potenziellen Mehrerträge beträchtlich sein können:
Parameter | Monofaziale Module | Bifaziale Module |
---|---|---|
Mittlerer Modulpreis pro kWp | 180-200 € | 200-230 € |
Mehrertrag bei optimaler Installation | 0% | 5-30% |
Amortisationszeit der Mehrkosten | – | 2-5 Jahre |
Je nach Installationsart und lokalen Bedingungen kann der Mehrertrag die Mehrkosten bereits nach wenigen Jahren amortisieren. Besonders vorteilhaft sind bifaziale Module in folgenden Szenarien:
- Aufständerung auf Flachdächern mit hellem Untergrund
- Freiflächen mit hohem Bodenreflexionsgrad
- Fassadenanlagen mit hellem Hintergrund
- Vertikal installierte Ost-West-Anlagen
Technologieentwicklung und Zukunftsaussichten
Die bifaziale Technologie hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt und wird zunehmend zum Standard in der Photovoltaik-Branche. Die wichtigsten Entwicklungsschritte waren:
- Verbesserung der rückseitigen Zelleffizienz:
- Optimierung der rückseitigen Kontakte
- Erhöhung der Lichtdurchlässigkeit zwischen den Kontakten
- Weiterentwicklung der Modultechnologie:
- Glas-Glas-Konstruktionen mit verbesserter Haltbarkeit
- Reduzierter Rahmeneinfluss zur Minimierung der Verschattung
- Fortschritte in der Anlagenkonstruktion:
- Spezielle Montagesysteme für bifaziale Module
- Optimierte Aufständerungssysteme für maximalen Rückseitenertrag
Die zukünftige Entwicklung wird voraussichtlich folgende Bereiche umfassen:
- Weitere Optimierung der bifazialen Wirkungsgrade
- Integration von Tracking-Systemen zur maximalen Nutzung der Bifazialität
- Entwicklung spezialisierter Unterkonstruktionen mit minimaler Verschattung
- Innovative Installationskonzepte für urbane Umgebungen
Anwendungsbeispiele und Best Practices
Der Einsatz bifazialer Solarmodule ist besonders effektiv in bestimmten Anwendungsszenarien. Hier sind einige bewährte Praktiken und Anwendungsbeispiele:
Optimale Montagevarianten für bifaziale Module:
- Aufständerung auf Flachdächern:
- Neigungswinkel: 10-30°
- Ausreichende Reihendistanz zur Vermeidung von Verschattung
- Helle oder reflektierende Dachoberfläche
- Fassadenmontage:
- Abstand von 20-50 cm zur Fassade
- Helle Fassadenfläche für maximale Reflektion
- Vermeidung von Verschattung durch Gebäudeteile oder Vegetation
- Freiflächenanlagen:
- Erhöhte Montage (mindestens 0,8-1 m über Boden)
- Heller Untergrund (z.B. heller Kies, reflektierende Folien)
- Ost-West-Ausrichtung für gleichmäßigeren Tagesverlauf
Typische Leistungssteigerung durch bifaziale Nutzung:
Installationsart | Albedo des Untergrunds | Typischer Mehrertrag |
---|---|---|
Flachdach weiß | 50-70% | 15-25% |
Flachdach grau | 20-30% | 5-15% |
Freifläche mit Gras | 20-25% | 5-12% |
Freifläche mit hellem Kies | 35-45% | 10-20% |
Fassade vor weißer Wand | 60-70% | 15-30% |
Schneebedeckter Boden (Winter) | 80-90% | 25-40% |
Praktische Einsatztipps
Für die optimale Nutzung bifazialer Solarmodule in der Praxis sind folgende Aspekte zu berücksichtigen:
- Planung und Standortanalyse:
- Bewertung des Reflektionspotentials am Standort
- Analyse von Verschattungsrisiken
- Berücksichtigung saisonaler Veränderungen (z.B. Schneedecke im Winter)
- Montage und Installation:
- Verwendung spezieller Montagesysteme für bifaziale Module
- Minimierung der Verschattung auf der Modulrückseite
- Bevorzugung von Klemmen statt durchgehender Schienen
- Monitoring und Ertragskontrolle:
- Spezielle Überwachung des bifazialen Mehrertrags
- Vergleich mit monofazialen Referenzmodulen
- Anpassung der Ausrichtung basierend auf Ertragsdaten
Fazit und Ausblick
Die bifaziale Solartechnologie stellt eine bedeutende Weiterentwicklung in der Photovoltaik dar. Durch die Nutzung des Lichts, das auf die Vorder- und Rückseite der Module trifft, kann der Energieertrag erheblich gesteigert werden – unter optimalen Bedingungen um bis zu 30%.
Die durchgeführten Messungen haben gezeigt, dass selbst unter nicht idealen Bedingungen mit teilweiser Verschattung der Rückseite noch ein Mehrertrag von ca. 8-10% erzielt werden kann. Mit optimierter Montage und Minimierung der rückseitigen Verschattung sind deutlich höhere Werte möglich.
Für die Zukunft zeichnen sich folgende Trends ab:
- Bifaziale Module werden zunehmend zum Standard in der Photovoltaik
- Spezialisierte Montagesysteme mit minimaler rückseitiger Verschattung werden sich etablieren
- Die Kombination aus bifazialer Technologie und Nachführsystemen wird neue Effizienzrekorde ermöglichen
- Innovative Installationskonzepte werden entwickelt, um das bifaziale Potential in verschiedenen Umgebungen optimal zu nutzen
Die Weiterentwicklung der bifazialen Technologie wird einen wichtigen Beitrag zur Effizienzsteigerung und Kostenreduktion der Solarenergie leisten und damit zur verstärkten Integration erneuerbarer Energien in unsere Energieversorgung beitragen.
Die praktischen Messungen an der beschriebenen Fassadenanlage zeigen exemplarisch, wie selbst ältere Installationen durch den Einsatz moderner bifazialer Module aufgewertet werden können. Der gemessene Mehrertrag von ca. 10% demonstriert das Potential dieser Technologie auch unter nicht optimalen Bedingungen.
Mit zunehmender Verbreitung bifazialer Solarmodule und kontinuierlicher Weiterentwicklung der Technologie werden bifaziale Systeme einen immer größeren Anteil an der Photovoltaik-Kapazität ausmachen und zur Effizienzsteigerung der Solarenergienutzung beitragen.
Letztes Update des Artikels: 31. März 2025